Zu Hauptinhalt springen

GRK-Forschungskolloquium am 22. Januar 2020

Überlebensstrategien der arbeitenden Armen. Pfandleihe und Kreditbeziehungen im frühneuzeitlichen Rom

Vortrag von Dr. Tanja Skambraks

Im GRK-Forschungskolloquium am 22.01.2020 durfte das Kolleg die Mediävistin Dr. Tanja Skambraks (Universität Mannheim) zum Vortrag „Überlebensstrategien der arbeitenden Armen. Pfandleihe und Kreditbeziehungen im frühneuzeitlichen Rom“ begrüßen. Die Gastreferentin vereint Expertise zu verschiedenen Thematiken und historischen Regionen, die im Untersuchungskern mehrerer GRK-Einzelprojekte zur Metropolität stehen: zur Geschichte Großbritanniens, zu Fest- und Ritualkultur sowie zur Kirchengeschichte des Mittelalters (Dissertation zum „Kinderbischofsfest in der Vormoderne. Eine Studie zu Ausdrucksformen christlicher Religiosität und Frömmigkeit, 11. bis 16. Jahrhundert", 2014) sowie zentral zu Schuldenpraxis, Märkten und Lebensstandard im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Europa.

Im Gastvortrag sprach Tanja Skambraks aus ihrem Habilitationsprojekt zu „Überlebensstrategien der arbeitenden Armen. Pfandleihe und Kreditbeziehungen im frühneuzeitlichen Rom“. Illustrierend eingeleitet mit dem italienischsprachigen Gedicht „Lamento di poveretti“ von G.C. Croce aus dem Jahr 1590 widmete sich der Vortrag ausgehend von der Hypothese einer Vielfalt an Überlebensstrategien der arbeitenden Armen zwei Aspekten: zum einen wurden die wirtschaftsethischen Grundlagen des christlichen Kleinkredits behandelt, welche die Franziskanerobservanten vom 13. bis ins 15. Jahrhundert entwickelten und diskutierten – hier insbesondere der Diskurs um die Rechtmäßigkeit des Zinsgewinns, wie am Quellenbeispiel eines Traktates des Juristen und Theologen Fortunato Coppoli aus Perugia erläutert wurde  – und die schließlich in die Gründung der Monti di Pietà mündeten, deren Ziel es war, Kapitalknappheit überwinden zu helfen und so, in einer Verzahnung von Ökonomie und Religion, die lokalen christlichen Kommunen zu fördern.

Im zweiten Teil des Vortages wurden Aspekte der materiellen Kultur des Kleinkredits, also die Rolle der Pfandobjekte als Wertspeicher sowie die Kreditpraxis der römischen Bevölkerung des frühen 16. Jahrhunderts anhand von Quellenbeispielen beleuchtet, mittels derer die pauperes pinguiores (pej. "die fetteren Armen", also jene, die knapp am Existenzminimum lebten und deren materielle Vulnerabilität insbesondere in Krisenzeiten anstieg, i.e. oftmals identisch mit der in der Wirtschaftsgeschichte so genannten "arbeitenden Unterschicht")  ihre Subsistenz sicherstellten.

Schon zur vorbereitenden bzw. begleitenden Lektüre für das Kolloquium am Mittwoch waren den GRK-Mitgliedern zwei italienischsprachige Quellenauszüge aus römischen libri mastri (Kassenbüchern) vom Ende des 16. Jahrhunderts sowie eine Tabelle zu Pfandgegenständen aus Perugia übersandt worden, über die Skambraks´ Ausführungen zur material culture der arbeitenden Unterschichten nachvollziehbar wurden. die Monti di Pietà wurden als Institutionen fassbar, die im Sinne einer moral economy (L. Fontaine) als Fürsorge der städtischen Eliten gegenüber den Bedürftigen interpretiert werden können, die als Katalysatoren einer Inklusion der working poor in den lokalen Kreditmarkt und zugleich einer Exklusion der jüdischen Beteiligten funktionierten.

Die anschließende, lebhaft und interdisziplinär geführte Diskussion zeigte die methodologische Vielfalt wirtschaftssoziologischer Perspektivierungen bei Quellenauswertung- und kritik sowie fachkulturell verschiedene Bewertungen von Alterität im Kontext der Einordnung des materiellen Lebensstandards und der Definition sozialdemographischer Schichtungen in vormodernen Metropolen.
Über das Aufgreifen diverser wirtschafts-, sozial-, alltags-, kirchen- und stadt-/regionalhistorischer Interessenschwerpunkte des GRK zur Metropolität hat Tanja Skambraks´ Vortrag nachhaltige und weiterführende Impulse für zahlreiche GRK-Mitglieder hinterlassen. Das DFG-GRK 2337 „Metropolität in der Vormoderne“ dankt der Herausgeberin des im November 2019 bei Palgrave erschienenen Handbuchs „Methods in Premodern Economic History. Case studies from the Holy Roman Empire, c.1300-c.1600” herzlich für diesen inspirierten und passgenau auf Fragestellungen zum wirtschaftlichen Handeln in vormodernen Metropolen ausgerichteten Vortrag!


  1. STARTSEITE UR

Metropolität in der Vormoderne

DFG-GRK 2337

Sprecher

Prof. Dr. Jörg Oberste

St-grk 2337
Wissenschaftl. Koordination

Dr. Arabella Cortese

Kontakt und Homepage

Arabella.Cortese@ur.de

https://go.ur.de/metropolitaet